Gleich zu Beginn der Saison 1995/1996 konnte Sven allerdings beweisen, daß die vergangene Saison ein "negativer Ausrutscher" war. Schon im Dezember 1995 gelangen ihm - nach eineinhalb Jahren "Siegesabstinenz" - zwei Weltcup-Siege und ein zweiter Platz mit der Staffel am Osloer Holmenkollen. Aus dem norwegischen Lager kamen sogar Anfragen, ob er, damals verlobt mit der norwegischen Biathletin Annette Sikveland und inzwischen gut norwegisch sprechend, nicht vielleicht zukünftig für Norwegen laufen wolle. Diese Angebote lehnte er allerdings stets ab. Seine Heimatregion Thüringer Wald, die idealen Trainingsbedingungen in Oberhof und die Nähe zur Familie, für ihn Ruhepol und Streßpuffer, sind ihm zu wichtig, als daß er auf Dauer von dort weggehen würde.

Im Februar 1996 fanden die für die deutschen Herren enttäuschenden Weltmeisterschaften in Ruhpolding statt. Der gute Saisonstart ließ auf ebensolche Ergebnisse bei der WM hoffen, doch die deutschen Herren konnten "nur" die Silbermedaille in der Staffel holen, in den Einzelrennen und dem Mannschaftswettkampf gingen sie leer aus. Es war das erste mal seit 27 Jahren, daß sie ohne Einzelmedaille blieben.  Bundestrainer Norbert Baier wollte zu hohen Erwartungsdruck bei den "Heimspielen" nicht gelten lassen, bei so manchem stand das Material im Mittelpunkt der Kritik. - Im Ganzen jedoch war die Saison für Sven durchaus positiv verlaufen: er wurde dritter im Gesamt- Weltcup.

Und auch die Saison 1996/1997 fing gut an, Sven konnte in Lillehammer gleich zwei Weltcup-Siege hintereinander feiern. Zum Jahresende hin allerdings stellten sich die Rückenprobleme ein, die ihn seither begleiten. Als Ursache der Schmerzen wurden verkürzte Muskelstränge ausgemacht. Sven konnte nur ein reduziertes Training absolvieren. Als Ende Januar auch noch eine schwere Grippe hinzu kam, war seine WM-Teilnahme akut gefährdet. Zur Teilnahme reichte es dann doch, nicht aber zu einer Einzelmedaille. Aber ganz ohne Medaille kam er auch von dieser Weltmeisterschaft im slowakischen Osrblie nicht zurück, mit der Staffel gewann er Gold. Auch sonst verlief die WM für die Deutschen erfreulicher als die letzte, denn Ricco Groß wurde Weltmeister im Einzel.

Im März 1997 fanden auch drei Wettkämpfe in Nozawo Onzen, den Olympiastrecken für 1998 statt. Den Sprint dieser gerne als "Generalprobe" bezeichneten Weltcups konnte Sven gewinnen - und sagte schon damals: "Gut am Olympiatest war, daß wir jetzt die Verhältnisse kennen und wissen, daß wir zwei, drei Paar Ski mehr mitnehmen müssen. Der Schnee ist anders als bei uns". Wie recht er damit hatte, mußte die Mannschaft dann bei den Olympischen Spielen erleben...

Am Ende dieser wahrlich nicht problemlos verlaufenen Saison stand ein phantastischer Erfolg: der Gewinn des Gesamt-Weltcups. Der letzte deutsche Weltcup-Gesamtsieger war 1987/1988 Fritz Fischer gewesen, den letzten Oberhofer Gesamtsieger hatte es 1981/1982 gegeben - mit Frank Ullrich. Im Zeitraum 1978 bis 1988 waren alle Weltcup-Gesamtsiege an Athleten aus der DDR oder der BRD gegangen - nun hatte es Sven wieder geschafft und sagte: "Das zeigt, daß man nie aufgeben darf" und: "Vor zwei Monaten konnte ich mich kaum bewegen, jetzt stehe ich als Gewinner da. Der Gesamtsieg ist schon etwas ganz besonderes... Die Olympischen Spiele (in Lillehammer) mit Staffelgold und Bronze im Einzelrennen waren schon der Höhepunkt, aber der Weltcup-Gesamtsieg kommt gleich danach."

© Isabel Bräuer