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Exklusivinterview mit Sven
Fischer vom 29.03.2004
Bei
Olympia wollen alle Staffel laufen
Er
ist zwar nicht der Mann mit den meisten Weltmeistertiteln, doch dafür darf Sven
Fischer von sich behaupten, am häufigsten bei internationalen Großereignissen
im Biathlon auf dem Treppchen gestanden zu haben. Insgesamt platzierte sich der
Schmalkalder 118-mal auf einem Podestplatz. Dabei darf der sympathische
Schwarzschopf auf sieben Weltmeistertitel und zwei Olympiasiege verweisen.
Für die beiden
Triumphatoren des abgelaufenen Winters, Ole Einar Björndalen und Raphaël Poirée,
stehen „nur“ 110 und 90 Podestplätze zu Buche. Nach etwas Abstand zu seinem
Staffel-Gold bei der WM im heimischen Oberhof und der Geburt seiner Tochter
Emilia Sophie stellte sich der 32-Jährige im stz-Redaktionsgespräch.
stz: Wie geht es Ihrer
kleinen Tochter?
Sven
Fischer: Sie entwickelt sich prächtig. Ihr und auch meiner Frau Doreen geht es
gut.
stz: Also haben sich für
Sie Ihre sportlichen und privaten Erwartungen in diesem Jahr erfüllt?
Sven
Fischer: Die Geburt meiner Tochter übertrifft natürlich alles. Sportlich
gesehen – nun, ich bin schon einige Jahre dabei und immer gab es Licht und
Schatten. Die abgelaufene Saison war eine olympische Nachsaison. Deswegen haben
wir den Trainingsumfang etwas zurückgeschraubt. Folglich waren meine
Leistungen nicht immer optimal. Leider gibt es im Biathlon keine Weltbestzeiten
wie in der Leichtathletik. Also fehlt die Möglichkeit des Vergleiches vorab.
Vom Laufen her habe ich einen Schub nach vorn machen können. Allerdings fehlte
mir diesmal die Konstanz im Schießen. Aber mein vorgegebenes Ziel, mich im Lauf
zu verbessern, habe ich geschafft.
stz: Seit 1992 sind Sie
im Weltcup-Geschehen dabei. Was hat sich im Biathlon geändert?
Sven
Fischer: Die Anzahl der Wettkämpfe ist deutlich gewachsen. Früher gab es den
10- , und den
20-Kilometer-Lauf sowie die Staffel. Die Selektion bei den 10- und den
20-Kilometer-Läufen hat sich die Waage gehalten, genauso wie die der Schieß-
und Lauftypen. Danach gab es die Hereinnahme des Verfolgungsrennens und des
Massenstartes in das Wettkampfprogramm. Die 20 Kilometer-Läufe sind weniger
geworden, obwohl sie zum Biathlon gehören, diesen Sport prägen. Trifft man im
Sprint vor der Verfolgung nicht optimal, hat man zwei Wettkämpfe förmlich
in den Wind geschrieben.
Die Internationale Biathlon Union muss sich etwas einfallen lassen, dass
der Biathlonsport als solcher wieder belebt wird. Gegenwärtig sind die
Biathlon-Wettbewerbe sehr lauflastig. Sicherlich ist der lange Kanten für die
Fernsehanstalten nicht so attraktiv, aber auch da kann man andere Wege, wie zum
Beispiel im Radsport, wo man in den Wettkampf einsteigt, gehen. Zudem wäre es
überlegenswert, die Anzahl der „Exoten“ bei den Weltcups zu reduzieren. Es
ist klar, dass es schön ist, dass das Feld bunter wird, aber es darf nicht das
Gesamtniveau eines Wettkampfes darunter leiden.
stz: Ist es heute
schwieriger den Weltcup-Gesamtsieg zu erringen als früher?
Sven
Fischer: Nein. Der Gesamtsieg ist Ausdruck dessen, dass man fast die gesamte
Saison schier unschlagbar war. Der Druck für den Mann in Gelb ist größer
geworden.
stz: Bei den Weltcups reißen
sich nicht viele um einen Staffelplatz, weil es dafür keine Weltcuppunkte gibt.
Stimmt das?
Sven
Fischer: Das ist richtig. Die IBU hat damit, dass es keine WC-Punkte gibt, der
Staffel den sportlichen Wert genommen. Viele Athleten sehen natürlich, dass für
sie persönlich dabei nichts herausspringt und sparen sich lieber die Kraft für
die Einzelrennen. Bei Olympia oder Weltmeisterschaften wollen komischerweise
alle wieder dabei sein. Mein Vorschlag an die IBU wäre, dass man auch für die
Staffel Weltcuppunkte und Geldprämien verteilt.
stz: Es ist der Trend zu
beobachten, dass sich die Spitzenathleten allein auf ihren Saisonhöhepunkt
vorbereiten. Sie auch?
Sven
Fischer: So ganz allein trainiert niemand. Allein kann man auch einige Dinge,
wie das „Krachen“ links und rechts eines jeden am Schießstand, nicht
trainieren. Und wie wichtig es ist, mit viel Lärm zurechtzukommen, hat die
tolle Atmosphäre in Oberhof gezeigt. Wer da nicht vorbereitet ist ... Das
Trainieren in der Gruppe bringt für den Einzelnen, auch für einen Top-Athleten
viele Vorteile. Zum Beispiel kann man sich in der Gruppe besser motivieren, denn
keiner ist immer jeden Tag heiß auf Trainingskilometer und für die Materialtests
ist es besser. Für mich ist die Gruppe langfristig gesehen der stetige Weg zum
Erfolg.
stz: Welchen Stellenwert
haben Geld und Ruhm für Sie?
Sven
Fischer: Reichtum definiert sich für mich nicht im Kontostand. Er verkörpert für
mich ideelle Dinge. Es gibt zahlreiche Millionäre, die in meinen Augen die ärmsten
Teufel sind. Sie haben keine Freunde, sitzen, wenn das Geld mal klamm wird,
allein da.
Für den Biathlonsport hat das Geld zweierlei Bedeutung. Der Sport läuft
Gefahr, dass alles danach ausgerichtet wird. Zum Beispiel haben wir oft
Probleme, uns ordentlich ein- und auszulaufen. Dem entgegen wird überall dafür
gesorgt, dass die Werbung in ihrem Erscheinungsbild perfektioniert wird. Ich
glaube, wenn das Geld nicht so großen Einfluss hätte, dass der
20-Kilometer-Lauf noch seine ihm gebührende Wertigkeit haben würde. Der
Kommerz hat einiges versaut.
Andererseits sorgt er dafür, dass man sich etwas
Geld zur Seite legen und man dafür sorgen kann, dass es auch noch dem Sport
weitergeht. Wenn dies nicht so wäre, müsste ich bereits aufgehört haben. Mit
der Teilnahme bei Weltmeisterschaften und Olympia hat man sich als Sportler Höhepunkte
geschaffen, die mit Geld nicht zu bezahlen sind. Normal hätte ich nach meinen
Siegen aufhören müssen, ich habe sportlich alles erreicht, aber mit dem Geld
kann man sich auf alle Fälle die Brücke für das Leben nach dem Sport bauen.
(Sven Fischer verteilte die Tonne Lachs, die er für seinen 20-Kilometer-Sieg in
Oslo erhielt und einen Wert von zirka 35 000 Euro hat, an Altersheime in
Norwegen sowie Thüringen, Anmerkung der Redaktion).
stz: Wie gut verkauft
sich Sven Fischer?
Sven Fischer: Manche
verkaufen sich so, dass man um das Begleitwort „Hure“ nicht herumkommt. Das
möchte ich nicht. Ich gebe mich nicht für alle und alles her. Ich habe
langfristige Werbepartner. Ich schätze es, dass sich die Firma so mit mir
identifiziert, wie ich bin. Ich bin zwar gutmütig, habe aber auch meinen
eigenen Kopf.
stz: Beängstigen Sie die
starken Auftritte der jungen Wilden?
Sven
Fischer: Nein. Wenn sie mich besiegt haben, motiviert es mich, sie wieder zu
bezwingen.
stz: Wie lange werden Sie
noch aktiv sein?
Sven Fischer: So
lange Körper und Geist noch eine Einheit bilden. Ich bin auf jeden Fall noch
nicht satt. Allerdings ist die Zeit sehr schnelllebig. Einen genauen Tag gibt es
nicht. Das Leben eines Sportlers birgt Lebensqualitäten in sich. Die möchte
man nicht missen, aber ich will nicht im Rollstuhl durch die Pisten hecheln und
denke, dass ich vorher den Absprung schaffe.
Das
Gespräch führte Liane Reissmüller |