Rouven Raatz
führte für die Oberhessische Presse / Frankenberger Zeitung ein Interview mit
Sven, das am 27. April 2004 erschienen ist.
Viessmann
und Fischer sind seit sieben Jahren eng verbunden. Das Unternehmen ist ein
wichtiger Sponsor des 34-Jährigen, der in diesem Jahr bei den
Biathlon-Weltmeisterschaften in Oberhof den Titel mit der Staffel gewann.
Fischer äußerte sich im OP-Interview zu seinen Zielen und gab eine Einschätzung
zur Zukunft des deutschen Biathlon-Sports.
OP: Radprofi Jan Ullrich ist diese Woche aus dem Weltcup ausgestiegen,
angeblich wegen Trainingsrückstand. Haben Sie sich in einer Saisonvorbereitung
auch schon so verkalkuliert wie Ullrich?
Fischer: Ich habe beim Training auch Radkilometer dabei, ich
weiß, wie das trainingsmethodisch zusammenhängt. Im Radsport braucht Jan die
Trainingskilometer. Ich bin überzeugt, die Wettkampfkilometer, die er jetzt
hat, sind für ihn nur Training.
Und im Training muss man variieren. Dass heißt noch lange nicht, dass er den
Wettkampf nicht geschafft hat oder kaputt ist. Er hat höhere Ziele. Und ich
denke, sein Ziel hat er noch nicht aus den Augen verloren.
OP: Sie sind vor kurzem Vater geworden. Hat das Auswirkungen auf die
Saisonvorbereitung?
Fischer: Man macht einiges anders oder bewusster. Ich nehme
mir jetzt für das Kind die Zeit, in der ich früher andere Sachen gemacht habe.
OP: In Oberhof haben Sie Gold mit der Staffel gewonnen. Was haben Sie von der
WM für Eindrücke mitgenommen?
Fischer: 1992 habe ich angefangen, damals war nur bei den
deutschen Weltcuporten richtig viel los. Sonst konnte man die Zuschauer mit
Namen begrüßen. Das hat sich alles geändert. Gott sei Dank habe ich diese
Entwicklung erleben dürfen.
Ich konnte mich an den wachsenden Druck gewöhnen, an die Massen an Zuschauern
und an das Medieninteresse. Das ist Motivation. Früher hatte jeder seine Ruhe,
konnte seinen Stiefel fahren. Jetzt hört man selbst die Trainer nicht mehr.
Mit der Staffel war es in Oberhof ein tolles Erlebnis. Man kommt auf den Schießstand
und alles tobt und ist laut. Und dann legt man sich am Schießstand hin und es
ist ganz still. Es gibt aber auch Sportler, die damit nicht klarkommen.
OP: Sie wollen so lange aktiv bleiben, „wie Körper und Geist eine Einheit
bilden“. Wird das 2006 in Turin noch sein?
Fischer: Irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo man aufhören
muss, wie bei jedem anderen auch. Bloß wann und wo kann ich jetzt noch nicht
sagen und will es auch nicht. Genau wie viele andere, die jetzt noch dabei sind.
Es gab einige Aktive, die angekündigt haben, aufzuhören, doch dann wieder
einen Rückzieher gemacht haben. Das will ich nicht.
OP:
Wie
sieht es Ihrer Meinung nach mit dem Biathlon-Nachwuchs in Deutschland aus?
Fischer: Es ist über viele Jahre Leistung gekommen, aber
immer nur von einer begrenzten Anzahl von Leuten. Irgendwann sind die Alten aber
zu alt. Dann muss ein Junger bereitstehen, der Perspektiven hat. Es sind einige
da, aber sie haben noch Zeit. Die Talente müssen sich entwickeln.
Werden sie in eine Rolle gedrängt, dann stürzt sich alles auf sie und man hat
das Gegenteil erreicht. Und: Diejenigen, die vor fünf Jahren im Weltcup
erfolgreich waren, sind auch heute noch dabei. Da ist auch die Europäische
Biathlon-Union gefragt, für Talente den B-Weltcup ins Leben zu rufen oder den
Europacup aufzuwerten.
OP: Würden Sie mithelfen, den Nachwuchs nach dem Ende Ihrer
Karriere mit aufzubauen?
Fischer: Ich lass´ alles offen. Auf der einen Seite würde
es mir schon Spaß machen. Aber ich bin auch so ehrlich, dass ich keine
Versprechungen abgebe, und mache es später doch nicht. Ich mache jetzt meinen
Sport, danach ist es wichtig, dass ich ordentlich abtrainiere.Es ist nicht einfach, mit dem Loch, in das man fällt, zurechtzukommen. In der
Phase entwickelt sich etwas Neues und ich werde sehen, was ich dann mache.
OP: Zum Thema Sport und Vermarktung: „Manche Sportler
verkaufen sich so, dass man um das Wort 'Hure' nicht herumkommt.“ Dieses Zitat
stammt von Ihnen. Ist das der Preis, den man für das gestiegene Interesse am
Biathlon zahlen muss?
Fischer: Es ist wie in der freien Wirtschaft. Es ist ein
Geben und Nehmen. Ich helfe dir, du hilfst mir. Wir kommen beide besser voran,
wenn wir im Team arbeiten. Andererseits hat jeder Sportler auch seine Grenzen.
Jeder muss sie selbst finden. Aber: Ich sehe die Gefahr, dass ein
Hochleistungssportler, der Erfolg hat, abdriftet und abgleitet, dass zuviel
PR-Maßnahmen seine Leistung schmälern. Es ist mein Anliegen gewesen, dies
provokant darzustellen.
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