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Herzlichen Dank an Gert
Hellmann, der mir gestattet hat, dieses Interview vom 3. Mai 2005 auf der Homepage zu
veröffentlichen!
"Geld
zeigt den wahren Charakter"
Der
Ausnahme-Biathlet vom WSV Oberhof bereitet sich akribisch auf die Olympischen
Spiele vor
Was Sven Fischer
verspricht, das hält er. Schon seit langem hat Deutschlands bester Biathlet
eine Einladung der Südthüringer Zeitung angenommen. Gestern unterhielt sich
der zweifache Olympiasieger und siebenfache Weltmeister während eines
Redaktionsgesprächs mit Lesern der Heimatzeitung. Eindrucksvoll hat der
34-jährige Schmalkalder aus seinem Leben berichtet.
stz: Nach Ihrem
verdienten Urlaub haben Sie am Montag das Training wieder aufgenommen. ist damit
die zurückliegende Saison endgültig abgehakt?
Sven Fischer: Nicht ganz. Ich habe heute in der Mittagspause mit meinem
Trainer Mark Kirchner die zurückliegende Saison noch einmal Revue passieren
lassen. Wir sind uns einig darüber, daß wir im vergangenen Trainingsjahr
nahezu alles richtig gemacht haben. Wir werden die Olympiavorbereitung ähnlich
angehen. Ein paar Feinheiten werden jedoch modifiziert.
Welche?
Das sage ich erst, wenn ich bei den Olympischen Spielen erfolgreich war. Die
Konkurrenz muß das nicht vorher wissen.
Sie sind in Ihrer
Oberhofer Trainingsgruppe der Leitwolf. Wie kommen Sie mit dieser Rolle zurecht?
Ich war nicht immer der Leitwolf. In diese Rolle bin ich reingewachsen.
Deshalb habe ich damit keine Probleme. In unserer Gruppe wird meine Rolle
akzeptiert. Wir partizipieren im Training alle voneinander. Gestern hat der
Norweger Hanevold unser Radtraining mit absolviert. Er war sehr dankbar dafür
und meinte, daß er froh wäre, in Norwegen in so einer Gruppe trainieren zu
können. Wie
sieht Ihr Trainingsfahrplan im vorolympischen Jahr aus?
Derzeit schulen wir unsere Ausdauer. Das heißt mit drei Stunden Radtraining
und einer Stunde Crosslauf pro Tag tasten wir uns an die härteren, intensiveren
Trainingseinheiten heran. Die folgen dann im Sommer in speziellen
Trainingslagern. Bei den Überprüfungen im Herbst müssen vor allem die nicht
für den Weltcup gesetzten Athleten ihre Chancen wahrnehmen. Welche
Athleten sind gesetzt?
Zum A-Kader zählen Michael Greis, Ricco Groß und ich. Aber auch wir müssen
bei den Überprüfungen die geforderten Leistungen nachweisen. Sie
setzen nicht nur in den Wettkämpfen, sondern auch im Training die Maßstäbe
für Ihre Teamkameraden. Was ist Ihr Geheimnis?
Ich profitiere vor allem von den großen Trainingsumfängen, die ich schon in
meiner Jugend- und Juniorenzeit trainiert habe. Diese Grundlagen ermöglichen es
mir, auch heute noch größere Umfängen zu trainieren als andere Athleten.
Durch die vielen Sprintwettbewerbe im Weltcup hat sich allerdings das Training
etwas geändert. Es heute mehr an der Schnellkraft gearbeitet. In
der zurückliegenden Saison haben Sie mehrfach den Sieg durch einen Fehlschuß
vergeben. Haben Sie noch Reserven beim Schießen?
Reserven gibt es immer. Laufen und Schießen sind ein Komplex. Ich benötige
mehr Zeit als andere Weltklasse-Athleten, bevor ich den ersten Schuß abgebe.
Dort liegt noch eine Reserve. Allerdings ist das eben meine Art so zu schießen,
weil es mir Sicherheit gibt. Sicher muß man bei der hohen Leistungsdichte in
der Weltspitze oft auch viel riskieren, man kann dabei aber auch ganz schnell
verlieren. In diesem sensiblen Bereich ist der Trainer gefordert. Er muß auf
Stärken und Schwächen reagieren. Björndalen hat vor Jahren schlecht
geschossen. Er hat die Hilfe eines Psychologen in Anspruch genommen. Bei ihm hat
es geholfen. Pauschalisieren läßt sich so etwas jedoch nicht. Erstaunlicherweise
schießen die Spitzen-Biathletinnen oft weniger Fehler als die Männer.
Männer und Frauen können gleich gut und gleich schlecht schießen. Das ist
keine Frage des Geschlechts. Nach
dem grandiosen deutschen Staffelsieg bei der Weltmeisterschaft in Oberhof gab es
bei der diesjährigen WM ein Desaster für das deutschen Männerquartett.
Sind die großen Staffelerfolge endgültig passé?
Nein, die großen Staffelzeiten sind nicht vorbei. Diese mißglückte WM-Staffel
von Hochfilzen wird abgehakt. Wir haben vier Top-Biathleten in Deutschland, um
auch künftig vorn dabei zu sein. Sie
sind berühmt und sicher auch vermögend. Ändert sich dadurch der Charakter?
Geld verändert nicht den Charakter. Geld zeigt den wahren Charakter. Es gibt
nicht wenige Menschen, die Geld ins Unglück gestürzt hat. Seit
13 Jahren stehen Sie im Fokus der Öffentlichkeit. Wie bewältigen Sie diese
zusätzliche Belastung?
Gemeinsam mit meinem Vater habe ich dafür ein Konzept erarbeitet. Es wird
nämlich von Jahr zu Jahr immer schwieriger, Training, Wettkampf, Familie und
die Öffentlichkeitsarbeit unter einen Hut zu bekommen. Ich kann einfach nicht
jeden Termin wahrnehmen. Viele Leute verstehen nicht, wenn ich ihnen eine Absage
gebe. Das ist aber oft notwendig, um das Training einschließlich der
Regeneration abzusichern. Was
bedeutet Ihnen ihre Familie?
Meiner Familie habe ich alles zu verdanken. Sie ist mein Ruhe- und mein
Kraftzentrum. Ole Einar Björndalen, den ich zu meinen wenigen wirklichen
Freunden zähle, tut mir da ein bißchen leid. Seine Familie lebt in Norwegen,
er aber hat sein Trainingszentrum nach Südtirol verlegt. Ich könnte nicht so
lange von der Familie getrennt leben. Sie
haben an drei Olympischen Spielen teilgenommen. Außer einem Olympiasieg in
einem Einzelwettbewerb haben Sie dabei alles gewonnen. Ist die Goldmedaille
nächstes Jahr in Turin Ihr erklärtes Ziel?
Nein, damit würde ich mich nur unnötig unter Druck setzen. Ich zähle nicht
die Medaillen und hake schon gar nicht ab, was ich erreicht habe. Meine
Motivation ist das tägliche Training. Zu erleben wie mein Körper immer
leistungsfähiger wird, um dann gestärkt in die Wettkampfsaison zu gehen, ist
das eigentliche Erlebnis. Das zum richtigen Moment abrufen zu können, was ich
mir antrainiert habe, dabei zu erleben, wie die Konkurrenz nicht mithalten kann,
macht Biathlon für mich so interessant. Wie
sehen Sie die derzeitige Entwicklung im deutschen Biathlonsport?
So wie in anderen Sportarten auch. Leider! Das
Gespräch führte Gert Hellmann.
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