Interview aus der "Thüringer Allgemeine" vom 01.09.2000. Das
Gespräch führte Gerald Müller.
Abschalten
auf dem Ansitz
Biathlet
Sven Fischer genießt das Jagen und bewundert Hartwig
Gauder...
Die Saison
rückt immer näher. Gesellt sich zur Lust auf den Winter allmählich auch die
Last des Erfolgsdrucks?
Ich empfinde den Druck als etwas Schönes.
Schließlich resultiert er aus den Erfolgen, die ich bereits erreicht habe.
Insofern kann ich es gar nicht erwarten, daß die Wettkämpfe wieder beginnen.
Als ich jetzt auf dem Belmeken viele Athleten aus anderen Nationen traf, hat es
jedenfalls schon wieder mächtig gekribbelt. Andere Athleten
können sich in der nächsten Saison auch über fünfte oder sechste Plätze
freuen. Sie sind erfolgsverwöhnt. Ist es belastend, womöglich nur an Medaillen
gemessen zu werden?
Ich habe doch nicht nur Siege, sondern auch Niederlagen kennengelernt. Wichtig
ist, daß ich gesund bleibe. Wenn das der Fall ist und ich trotz aller
Bemühungen nur Zehnter werden würde, ist das okay. Schade wäre nur, wenn
irgendein grippaler Infekt dafür sorgt, dass ich nicht meine bestmögliche
Leistung abrufen könnte.
Bedeutet
das, daß Sie sich jetzt schon in Watte hüllen?
Ach, ich bin doch keine Mimose und flüchte
auch nicht vor jedem Regentropfen. Doch einen Pullover habe ich inzwischen immer
dabei, den ich bei Kühle überstreifen kann.
Beim
Golfturnier am Wochenende in Mühlberg haben Sie ihn gebraucht. Sie weilten dort
auf Einladung von Veranstalter Hartwig Gauder. Sind Sie Mitglied des Vereins
"Sportler für Organspende"?
Nein, aber ich sympathisiere stark mit ihm. Und Hartwig Gauder verehre ich ohnehin. Als Junge, als ich selbst noch Leichtathlet war, habe ich
seine sportliche Karriere verfolgt. Später dann seinen Kampf gegen seine
Krankheit. Ich finde es bewundernswert, wie er sein Schicksal gemeistert hat. Zumal er damit
vielen Menschen auch Hoffnung gegeben hat. Hartwigs wertvolle Botschaft lautet:
Nicht aufgeben.
Waren
Sie als Biathlet schon einmal an einem Punkt, wo Sie aufgeben wollten?
Meine Karriere stand wegen einer schweren
Knieverletzung schon einmal auf der Kippe. Ich glaube aber, daß ich als
Sportler auch ein Kämpfer bin und mich nicht so schnell unterkriegen lasse. Bei
der WM 1999 in Oslo setzte ich gleich den ersten Schuß daneben. Ich hatte 2 Möglichkeiten:
zu resignieren oder zu kämpfen. Ich habe alles gegeben, traf bei den folgenden
19 Schüssen und holte Gold.
In Mühlberg spielten Sie reichlich Golf. Ein idealer Ausgleichssport für Sie?
Eigentlich nicht. Ich mache das aus
"just for fun", treffe auch den Ball. Aber mir fehlen Passion und Zeit
für ausgiebiges Golfen.
Mit
was lenken Sie sich denn am liebsten ab?
Mit Jagen. Am besten mit meinem Schwager "Lucki" (Frank Luck/d.
Red.) .Da kann ich richtig abschalten. Es kommt schon vor, daß ich auf dem
Ansitz erst einmal eine halbe Stunde schlafe. Und wenn ich durch den Wald
pirsche, fühle ich mich ebenfalls unheimlich wohl.
Beim
Jagen sind Parallelen zum Biathlon vorhanden.
Ja. Die Konzentration, das Anlegen, das
Visieren, das Schießen. Da ist schon einiges vergleichbar. Wahrscheinlich macht
mir das Jagen deshalb auch so viel Spaß.
Wann
beginnt für Sie der sportliche Ernst?
Mit
den Herbstleistungskontrollen, die vom 15. bis 17. September in Ruhpolding sowie
vom 22. bis 24. September in Oberhof stattfinden. Auf einen Start in Thüringen,
wenn wir mit Skirollern um die Schießstände rasen, freue ich mich natürlich
ganz besonders.
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